Unsere heutige Welt ist geprägt von Leistungsdruck, ständiger Erreichbarkeit und Zukunftsängsten. Viele Menschen sind daher weit von einem Zustand der inneren Ruhe entfernt. Innere Ruhe zu finden, bedeutet, sich ausgeglichen, voller Energie und fokussiert zu fühlen.
Wie entsteht innere Unruhe?
In der Realität drehen sich die Gedanken jedoch oft im Kreis, wir fühlen uns unruhig und ständig erschöpft. Dieser Zustand der inneren Unruhe wird durch verschiedene Faktoren hervorgerufen. Zum einen durch äußere Faktoren wie Termindruck, Leistungsanforderungen und die laute Welt um uns herum, die durch Verkehrslärm und Reizüberflutung geprägt ist und scheinbar keine Pausen kennt. Zum anderen sind es innere Faktoren in Form von negativen Emotionen, die uns unruhig machen. Der Vergleich mit anderen Menschen und das ständige Streben nach mehr Geld, Erfolg oder Anerkennung führen dazu, dass wir uns auf Dauer gehetzt und überfordert fühlen. Den gleichen Effekt haben negative Emotionen und Gefühle wie Neid, Hass, Missgunst, Ärger und Wut. Hinzu kommen noch weitere Faktoren, nämlich solche, die wir nicht beeinflussen können. Dazu gehören zum Beispiel Krisen, Katastrophen oder Krankheiten. Die ständige Beschäftigung mit all diesen Faktoren, insbesondere die Sorge um vergangene oder mögliche zukünftige Ereignisse, führt zu innerer Unruhe. Diese kann zu Begleitsymptomen wie Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen, Nervosität, Gereiztheit oder auch Kopfschmerzen führen.
Uns Menschen verbindet alle eines: das Streben nach einem erfüllten und glücklichen Leben. Wie können wir dies trotz aller Umstände nun erreichen? Ein Zitat des Philosophen Francois de La Rochefouchard aus dem 17. Jahrhundert besagt: „Wenn man die Ruhe nicht in sich selbst findet, ist es umsonst, sie anderswo zu suchen“. Wer den Zustand der inneren Ruhe erreicht, stärkt damit erheblich seine mentale Gesundheit, kann Herausforderungen entspannter begegnen und verbessert damit insgesamt seine Lebensqualität. Die gute Nachricht: Innere Ruhe ist keine Charaktereigenschaft, sondern ein erlernbarer Zustand.
Tipps für innere Ruhe
Innere Ruhe lässt sich trainieren. Dazu müssen sich nach und nach neue Gewohnheiten und Denkmuster etablieren. Da Stress ein wichtiger Auslöser für innere Unruhe ist, sollte er im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes so weit wie möglich reduziert werden. Als eine Art „Soforthilfe“ zum Stressabbau können zum Beispiel Sport, Zeit in der Natur oder auch Meditation helfen. Je nach Bedarf kann es zum Beispiel helfen, nach einem stressigen Tag eine Runde um den Block zu laufen und sich dabei richtig auszupowern oder bei einer Yoga-Einheit oder einer Meditation zur Ruhe zu kommen.
Auch wenn Stressabbau ein wichtiger Punkt ist, um innere Ruhe zu erlangen, geht es langfristig vor allem darum, unsere Denkmuster und unsere Sicht auf die Dinge zu verändern. So können wir langfristig gelassener mit Situationen umgehen, die uns sonst stressen und aus der Balance bringen würden. Wir zeigen dir, wie du in drei Schritten zu innerer Ruhe gelangst:
Perspektivwechsel
Versuche doch einmal eine andere Perspektive auf die Dinge einzunehmen und deine Ängste und Sorgen von außen wahrzunehmen. Dabei geht es darum, negative Emotionen aus der Perspektive eines neutralen Beobachters zu betrachten, und zwar völlig wertfrei. So wird eine gewisse Distanz zu den Dingen gewonnen und manches, das vorher noch ein Ärgernis war, wirkt nun viel einfacher oder sogar komisch. Auch kann es helfen, seine Gedanken und Gefühle aufzuschreiben. Das Schreiben funktioniert als eine Art Ventil, sodass die Probleme von der Seele geschrieben werden können.
Im nächsten Schritt wird nun geschaut, welcher Zustand aktiv geändert werden kann und welcher nicht. Fokussiere dich dabei auf die Dinge, die du ändern und somit nun aktiv angehen kannst. Alles, was du nicht ändern kannst, solltest akzeptieren lernen, denn dies führt langfristig zu größerer innerer Zufriedenheit.
Atmen
So simpel es auch klingt, die richtige Atmung beeinflusst uns enorm. Atemübungen können nicht nur bei akutem Stress Abhilfe schaffen, sondern, bei regelmäßiger Ausübung auch langfristig gegen innere Unruhe und Angstgefühle helfen. Der Körper wird besser mit Sauerstoff versorgt und die Konzentration auf den eigenen Atem hilft dabei, von negativen Gedanken abzulenken, für die dann kein Platz mehr ist. Die wohl einfachste Atemübung ist die sogenannte Bauchatmung. Lege dazu deine Hände auf den Bauch und atme bewusst gegen die Handflächen, die Augen können dabei geschlossen werden. Der Atem wird weiter vertieft, bis die Entspannung eintritt.
Eine weitere Atemübung, die aus dem Yoga stammt, ist die 4-7-8-Methode. Atme bei dieser Übung vier Sekunden lang ein, dann halte den Atem für sieben Sekunden lang an und atme danach acht Sekunden lang aus. Wiederhole dies einige Male und mit etwas Übung wird dich diese Übung bereits nach kurzer Zeit entspannen.
Achtsamkeit und Dankbarkeit
Innere Ruhe hat immer etwas mit unserer eigenen Einstellung und mit der Sicht auf die Dinge zu tun. Stehen wir beispielsweise an einer roten Ampel oder im Stau, haben wir zwei Möglichkeiten: Wir ärgern uns über die Situation und die verlorene Zeit oder wir akzeptieren die Situation, an der wir ohnehin nichts ändern können, und nutzen die Zeit, um durchzuatmen, aus dem Fenster zu schauen oder Musik zu und wandeln die Situation so in etwas Positives um.
Erkenntnisse moderner Hirnforschung machen außerdem auf die Wichtigkeit von Dankbarkeit im Alltag aufmerksam. Hierbei wird der Blick auf die bewusste Wahrnehmung von allen positiven Dingen des Tages gelenkt. Ein Ritual könnte beispielsweise sein, direkt nach dem Aufstehen eine Sache aufzuschreiben, auf die du dich heute freust und am Abend eine Sache aufzuschreiben, für die du heute dankbar bist. Hier reichen schon wenige Stichpunkte und die Dinge können auch noch so klein und banal sein. Mit solchen Übungen werden unsere Gedanken auf das Positive gelenkt, sodass negative Gedanken weniger Raum einnehmen und langfristig eine positive Haltung daraus entstehen kann.
Die Naturapotheke für innere Ruhe
Zusätzlich zu diesen gezielten Techniken hält auch die Natur einige Wirkstoffe für die innere Ruhe für uns bereit. So kann der Prozess zusätzlich unterstützt werden. Gerade bei leichten bis mittelschweren Erkrankungen der Psyche und des Nervensystems hat sich die Anwendung von Kräutern und Pflanzen bewährt [1].
Kräuter und Pflanzen können bei Ängsten oder innerer Unruhe Abhilfe schaffen.
Baldrian
Bei Baldrian (Valeriana officinalis) handelt es sich um eine bis zu eineinhalb Meter hohe Pflanze, die auf feuchten Wiesen, an Ufern, Waldrändern und sonnigen Hängen wächst. Seine weiß-rosa Blüten blühen in schirmförmigen Dolden von Mai bis August. Für Präparate verwendet werden die Wurzeln des Baldrians. Diese sind besonders stark ausgebildet und fest im Boden verankert, was oft als Sinnbild für seine Wirkung verwendet wird. Der Baldrian wird schon seit römischer Zeit als Beruhigungs- und Entspannungsmittel verwendet [2]. In Studien wird sich mit der Wirkung von Baldrian auf Angstzustände und Schlafstörungen befasst [3, 4]. Es konnte zudem herausgefunden werden, dass Baldrianwurzelextrakt die funktionelle Gehirnkonnektivität in Bezug auf Angst verändert [5].
Passionsblume
Die Passionsblume (Passiflora incarnata) stammt ursprünglich aus Mittelamerika und wurde bei uns bis zum 20. Jahrhundert erst einmal nur als Zierpflanze angebaut. Dabei hat die Passionsblume so viel mehr zu bieten, bereits die Maya und Azteken verwendeten sie bei Schlaflosigkeit und Nervosität [2]. Studien belegen die Wirksamkeit von Passionsblume auf Angststörungen [6].
Johanniskraut
Johanniskraut (Hypericum perforatum) erinnert mit seinen strahlend gelben Blüten an die Sonne. Es wird auch als Sonnenwendkraut bezeichnet, da es um die Sonnenwende herum bei trockenem, sonnigem Wetter geerntet werden kann. Der medizinisch wirksame Stoff ist das dunkelrote Sekret Hypericin, das austritt, wenn man Blüten oder Knospen zwischen den Fingern verreibt. Ein weiterer Spitzname des Johanniskrauts ist der „Sonnenfänger“. So wird es genannt, da es den Körper aufnahmefähiger für Licht machen soll und dafür sorgen soll, dass Neurotransmitter wie Serotonin, Noradrenalin und Dopamin nicht so schnell in die Zellen aufgenommen werden, was Auswirkungen auf die Stimmung haben soll [2]. Die Auswirkungen von Johanniskraut auf die Neurotransmitter im Gehirn konnten nachgewiesen werden [7], in einer weiteren Studie zeigte sich außerdem, dass Johanniskraut ähnliche Wirkungen wie Antidepressiva besitzt [8].
Melisse
Die zur Familie der Lippenblütler gehörende Melisse (Melissa officinalis) wurde bereits vor etwa tausend Jahren zur „Vertreibung der Melancholie“ verwendet. Ihre zahlreich enthaltenen ätherischen Öle führen zu dem zitronenartigen Duft, der vor allem im Sommer und im Herbst wahrgenommen werden kann. Studien bestätigen die Wirksamkeit von Melisse zur Linderung von Angstzuständen und depressiven Symptomen [9]. Es konnte außerdem herausgefunden werden, dass eine Kombination mit anderen Pflanzenstoffen, wie beispielsweise Lavendel, besonders wirksam ist [10].
Hopfen
Hopfen (Humulus lupulus) ist vielen besonders als Inhaltsstoff im Bier bekannt. Der Hopfen gehört zu den Hanfgewächsen und wächst wild an feuchten Ufern oder Gebüschen. Für die Heilkunde interessant sind die weiblichen Blütenstände, die Hopfenzapfen. Hopfen soll die Melatoninrezeptoren anregen und somit schlafanstoßend wirken. Repräsentative Studien zu Hopfen als Einzelwirkstoff gibt es kaum, jedoch wird beispielweise an der Kombination von Hopfen mit Passionsblume und Baldrian geforscht. Studien zeigen, dass die Kombination aus Hopfen und Baldrian eine wirksame Schlafhilfe sein kann [11, 12], genau wie die Kombination aus Hopfen, Passionsblume und Baldrian [13].
Lavendel
Der Lavendel (Lavandula angustifolia) liebt heißes und trockenes Wetter, sodass er wild vor allem im sonnigen Mittelmeerraum zu finden ist. Durch seine Anpassungsfähigkeit ist er jedoch auch in regenreichen Regionen zu finden. Schon Julius Caesar soll eine Schwäche für Lavendel gehabt haben und nach einem anstrengenden Tag ein Bad darin genommen haben. Die enthaltenen ätherischen Öle verleihen dem Lavendel seinen typischen Duft, der von vielen als beruhigend wahrgenommen wird. In zahlreichen Studien wurde sich mit dieser beruhigenden und angstlösenden Wirkung befasst [14].
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Quellen:
[1] Ganz, C. (2017): Hausmittel für die Psyche: Vergessene Mittel aus der Hausapotheke und vom Wegesrand, in: Schweizerische Zeitschrift für Ganzheitsmedizin, 29, S.352-355.
[2] Buchart, K./Wiegele, M. (2018): Die Naturapotheke – Das überlieferte und neue Wissen über unsere Heilpflanzen, 1. Auflage, Wals bei Salzburg: Servus.
[3] Knopf, D. (2004): Warum Baldrian beruhigt [online: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/pharm1-08-2004] [21.02.2023].
[4] Nunes, A./Sousa, M. (2011): Use of valerian in anxiety and sleep disorders: what is the best evidence?, in: Acta medica portuguesa, 4, S. 961-966.
[5] Roh, D./Jung, J.H./Yoon, K.H./Lee, C.H./Kang, L.Y./Lee, S.K./Shin, K./Kim, D.H. (2019): Valerian extract alters functional brain connectivity: A randomized double-blind placebo-controlled trial, in: Phytotherapy research, 33(4), S. 939-948.
[6] Akhondzadeh, S./Naghavi, H.R./Vazirian, M./Shayeganpour, A./Rashidi, H./Khani, M. (2001): Passionflower in the treatment of generalized anxiety: a pilot double-blind randomized controlled trial with oxazepam, in: Journal of clinical pharmacy and therapeutics, 26(5), S. 363-367.
[7] Kholghi, G./Arjmandi-Rad, S./Zarrindast, M.R./Vaseghi, S. (2022): St. John’s wort (Hypericum perforatum) and depression: what happens to the neurotransmitter systems?, in: Naunyn Schmiedeberg’s archives of pharmacology, 395(6), S. 629-642.
[8] Linde, K./Berner, M.M./Kriston, L. (2008): St John’s wort for major depression, in: The Cochrane Database of systematic reviews, 4, CD000448.
[9] Ghazizadeh, J./Sadigh-Eteghad, S./Marx, W./Fakhari, A./Hamedeyazdan, S./Torbati, M./Taheri-Tarighi, S./Araj-Khodaei, M./Mirghafourvand, M. (2021): The effects of lemon balm (Melissa officinalis L.) on depression and anxiety in clinical trials: A systematic review and meta-analysis, in: Phytotherapy research, 35(12), S. 6690-6705.
[10] Kraft, K. (2011): Mit Melisse und Lavendel gegen Angst und Depression?, in: MMW – Fortschritte der Medizin, 153, S. 35-38.
[11] Dimpfel, W./Suter, A. (2008): Sleep improving effects of a single dose administration of a valerian/hops fluid extract – a double blind, randomized, placebo-controlled sleep-EEG study in parallel design using electrohypnograms, in: European journal of medical research, 13(5), S. 200-204.
[12] Koetter, U./Schrader, E./Käufeler, R./Brattström, A. (2007): A randomized, double-blind, placebo-controlled, prospective clinical study to demonstrate clinical efficacy of a fixed valerian hops extract combination (Ze 91019) in patients suffering from non-organic sleep disorder, in: Phytotherapy research, 21(9), S. 847-851.
[13] Maroo, N./Hazra, A./Das, T. (2013): Efficacy and safety of a polyherbal sedative-hypnotic formulation NSF-3 in primary insomnia in comparison to zolpidem: a randomized controlled trial, 45(1), S. 34-39.
[14] Donelli, D./Antonelli, M./Bellinazzi, C./Gensini, G.F./Firenzuoli, F. (2019): Effects of lavender on anxiety: A systematic review and meta-analysis, in: Phytomedicine, 65: 153099.
[15] Chevallier, A. (2017): Das große Lexikon der Heilpflanzen, 2. Auflage, München: Dorling Kindersley.
[16] Hoffmann, C./Trompetter, I./Weiß, G. (2014): Wirkmechanismus der Passionsblume aufgeklärt, in: Zeitschrift für Phytotherapie, 35(5), S. 215-218.
[17] Jung, B. (2010: Von der Passion Christi zur modernen Arzneipflanze, [online: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-432010/von-der-passion-christi-zur-modernen-arzneipflanze/] [23.02.2023].
[18] Lichtenauer, K. (2017): Dalai Lama – Kleines Buch der inneren Ruhe, 6. Auflage, Freiburg im Breisgau: Herder.
[19] Melzer, M. (2019): Johanniskraut: Pflanzliches Mittel gegen Depression, [online: https://www.apotheken-umschau.de/medikamente/heilpflanzen/johanniskraut-pflanzliches-mittel-gegen-depression-733191.html] [23.02.2023]
[20] Melzer, M./Allwang, M. (2020): Hopfen: Pflanzliches Mittel bei Schlafproblemen, [online: https://www.apotheken-umschau.de/medikamente/heilpflanzen/hopfen-pflanzliches-mittel-bei-schlafproblemen-733171.html] [23.02.2023].
[21] Niedenthal, T./Puchtler, E. (2020): Lavendel, in: Zeitschrift für Komplementärmedizin, 12(2), S.48-49.
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