In einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2015 wurden 13196 Menschen aus verschiedenen Altersgruppen gefragt, ob rezeptpflichtige Arzneimittel oder Medikamente, die ohne Rezept erhältlich sind, regelmäßig eingenommen wurden. Die Umfrage ergab, dass 30% der Befragten regelmäßig 1 oder 2 Medikamente einnahmen, 23%, also knapp jeder 4. Teilnehmer der Umfrage gab an, regelmäßig sogar mehr als 3 Medikamente gleichzeitig einzunehmen [1]. Zwar war das vorrangige Ziel dieser Umfrage, herauszufinden, welche Risiken die gleichzeitige Einnahme von mehreren Arzneimitteln (Polymedikation) mit sich bringt und wie die Arzneimittelversorgung optimiert werden kann. Viele Menschen, die aufgrund von Erkrankungen Arzneimittel einnehmen, stellen sich jedoch auch die Frage, ob sich Nahrungsergänzungsmittel mit ihren ärztlich verordneten Medikamenten vertragen und zusammen eingenommen werden können.
WAS SIND DIE UNTERSCHIEDE ZWISCHEN ARZNEIMITTELN UND NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTELN?
Laut § 2(1)1. des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitung aus Stoffen, die […] als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind [2]. Das Arzneimittelgesetz regelt darüber hinaus, welche Vorgaben für die Herstellung, das Inverkehrbringen, die Zulassung, die Kennzeichnung von Arzneimitteln etc. zu beachten sind.
Nahrungsergänzungsmittel sind jedoch keine Arzneimittel, sondern Lebensmittel und fallen somit auch nicht unter das Arzneimittelgesetz. Sie unterliegen den umfangreichen gesetzlichen Bestimmungen, die für alle Lebensmittel gelten. Die genaue Definition eines Nahrungsergänzungsmittel im deutschen Recht ist im 1. Absatz in §1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) zu finden [3].
Ein Nahrungsergänzungsmittel im Sinne dieser Verordnung ist ein Lebensmittel, das
- dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen und das
- ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung darstellt. […]
Demzufolge ist es aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen auch nicht erlaubt, Nahrungsergänzungsmitteln eine arzneiliche Wirkung im Sinne des Arzneimittelgesetzes zuzusprechen.
WECHSELWIRKUNGEN VON ARZNEIMITTELN UND NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTELN
Viele Menschen nehmen Vitamine, Mineralstoffe, Aminosäuren, essenzielle Fettsäuren, Ballaststoffe oder verschiedene Pflanzen- oder Kräuterextrakte ein, da sie ihre Gesundheit unterstützen möchten oder gute Erfahrungen mit Nahrungsergänzungsmitteln gemacht haben. Doch was ist bei der gleichzeitigen Einnahme von Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln zu beachten? Beispiele für mögliche Wechselwirkungen:
Mineralstoffe: bei der Einnahme von Mineralstoffen wie Magnesium, Eisen, Calcium oder Zink ist zu beachten, dass sie im Magen-Darm-Trakt mit einigen Arzneimitteln schwer lösliche Komplexe bilden können und somit die Aufnahme der Arzneistoffe erschwert oder verhindert werden könnte. Hierzu zählen einige Antibiotikaklassen (Tetracycline, Gyrasehemmer), Schilddrüsenhormone und Medikamente zur Behandlung von Osteoporose (Bisphosphonate). Um die Wirkung der Arzneistoffe zu gewährleisten, ist es ratsam, Mineralstoffe und die genannten Arzneimittelklassen im Abstand von ca. 2-3 Stunden einzunehmen. Dieser Einnahmeabstand gilt ebenfalls für calciumhaltige Lebensmittel wie Milchprodukte oder Mineralwässer.
Aminosäure L-Tryptophan und 5-HTP: Die natürlich vorkommende Aminosäure L-Tryptophan oder die körpereigene Serotonin-Vorstufe 5-HTP werden eingenommen, um die Bildung von Serotonin und Melatonin im Organismus zu unterstützen. Einige Arzneistoffe aus der Gruppe der Antidepressiva wirken sich ebenfalls auf den Serotoninhaushalt des Körpers aus (SSRI-selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer). Eine gleichzeitige Einnahme von ärztlich verordneten Antidepressiva mit L-Tryptophan oder 5-HTP ist allgemein nicht zu empfehlen oder sollte mit einer fachkundigen Person besprochen werden.
Vitamin K: Vitamin K ist ein fettlösliches Vitamin, welches zur Erhaltung normaler Knochen und zu einer normalen Blutgerinnung beiträgt [4]. Die Arzneistoffe der sogenannten Vitamin-K-Antagonisten mit den Wirkstoffen Phenprocoumon (enthalten in z.B. Marcumar®) oder Warfarin (enthalten in Coumadin®) besitzen blutgerinnungshemmende Eigenschaften, indem sie Blutgerinnungsfaktoren hemmen, die im Zusammenhang mit Vitamin K stehen. Sie werden zur Thromboseprophylaxe oder zur Vermeidung von Embolien verschrieben. Da diese Arzneimittel die Wirkung von Vitamin K auf die Blutgerinnung hemmen sollen, ist es verständlich, dass eine zusätzliche Zufuhr von Vitamin K kontraproduktiv ist und vermieden werden sollte.
Ginkgo und Traubenkernextrakt (OPC): Ginkgo als auch Traubenkernextrakt mit oligomeren Proanthocyanidinen (OPC) können sich laut Studien positiv auf die Blutgerinnung und den Blutfluss auswirken. Werden ärztlich verordnete Gerinnungshemmer, umgangssprachlich häufig als „Blutverdünner“ bezeichnet, eingenommen, sollte eine gleichzeitige Einnahme mit der/dem Ärztin/Arzt besprochen werden, um Wechselwirkungen auszuschließen.
QUELLEN
[1] https://www.abda.de/aktuelles-und-presse/pressemitteilungen/detail/mehr-sicherheit-bei-polymedikation-nur-durch-echten-medikationsplan/
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/amg_1976/__2.html
[3] https://www.gesetze-im-internet.de/nemv/__1.html
[4] zulässige gesundheitsbezogene Angabe zu Vitamin K; health claims (EFSA); Vitamin K trägt zu einer normalen Blutgerinnung bei; Vitamin K trägt zur Erhaltung normaler Knochen bei
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